Rinaldo Roberto – Polizist aus Mainz berichtet über die Erlebnisse im Ahrtal

Rinaldo Roberto, Leiter der Pressestelle der Polizei Mainz, war vor Ort im Krisenstab eingesetzt.

Rinaldo Roberto - Polizist aus Mainz berichtet über die Erlebnisse im Ahrtal

Zerstörte Brücke im Ahrtal | Foto: BYC-News

Einige Wochen ist die Flutkatastrophe im Ahrtal nun her. Rinaldo Roberto, Leiter der Pressestelle der Polizei Mainz, war vor Ort im Krisenstab eingesetzt. BYC-News sprach mit ihm darüber, wie es dazu kam und wie er persönlich die Situation im Krisengebiet erlebt hatte.

„Wir waren direkt mit eingebunden“

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag (15. Juli 2021) hatte sich die Katastrophe im Ahrtal ereignet, bei der viele Menschen alles verloren haben. Zum Teil sogar ihr Leben. „Als ich donnerstags ins Büro hier in Mainz kam, waren die Polizei direkt voll mit in den Einsatz involviert. Ich habe dann auch direkt von Anfang an gesagt, dass wir besser alle Aktionen, wie beispielsweise eine geplante große Verkehrskontrolle am Wochenende, absagen sollten. Das hätte für mich nicht gepasst und vermutlich auch den falschen Eindruck vermittelt, wenn wir in einer solchen Katastrophe 10 Streifenwagen abgestellt hätten, um Motorradfahrer zu kontrollieren. Die Aktionen wurden deshalb auch abgesagt.“, erklärt Roberto. Den gesamten Donnerstag und Freitag war er von Mainz aus mit in die Pressearbeit der Polizei bezüglich des Einsatzes im Ahrtal eingebunden.

Innerhalb von kurzer Zeit wurde im Ahrtal ein Krisenstab nach der Landesfeuerwehrvorschrift 100 (LFV100) aufgebaut. Darin ist genau geregelt, wie ein Krisenstab aufzubauen ist, wovon ein Teil natürlich auch das Pressezentrum betrifft. „Man hat dann geschaut, wer die Pressearbeit vor Ort übernehmen kann und geeignete Personen in verschiedenen Behörden angefragt, darunter auch mich“

Er erhielt dann die Anfrage vom Innenministerium, ob er im Krisenstab unterstützen könne, woraufhin er zusagte. „Samstag und Sonntag war ich dann von Mainz aus schon im Krisenstab im Einsatz, quasi als Schaltstelle, habe Fragen beantwortet, Anrufe weitergeleitet und einige Dinge koordiniert“, erklärt Roberto. Montags und dienstags sei er dann nochmal zwei Tage für die Pressestelle der Polizei Mainz tätig gewesen, bevor er schließlich am Mittwoch (21. Juli 2021) für insgesamt acht Tage ins Ahrtal fuhr, um dort direkt vor Ort im Krisenstab mitzuwirken. „Als ich im Krisenstab ankam war mein erster Gedanke: Verdammt, sind hier viele Menschen. Der Zweite war: Wo kommen die denn alle her? Es war überwältigend zu sehen, dass Menschen aus ganz Deutschland dort waren und natürlich immer noch sind, um zu helfen.“

„Da ich dann im Krisenstab Teil des von der ADD geleiteten Pressezentrums war, hat sich für mich einiges verändert.“, sagt Rinaldo Roberto und erklärt den Unterschied: „Die Aufgabe des Krisenstabs ist es, die Krise zu bewältigen, die Infrastruktur wieder aufzubauen, Hilfe zu organisieren und die Menschen zu versorgen. Die Polizei hingegen ist grundsätzlich für die Gefahrenabwehr und Verfolgung von Straftaten oder für den Schutz privater Rechte zuständig. Ich war zwar noch als Schnittstelle tätig, aber eben als Teil des Pressezentrums und nicht für die Polizei.“

Ein bunter Haufen, der gut zusammen funktionierte

Für ihn sei die Arbeit im Krisenstab sehr spannend und vor allem lehrreich gewesen. „Ich habe, glaube ich in den letzten fünf Jahren noch nie so viel so verdichtet gelernt und erlebt, wie in diesen acht Tagen im Krisenstab“, berichtet er. Vor Ort wurde zunächst ein Pressezentrum unter der Leitung der ADD (Aufsichtsdienstleistungsdirektion) aufgebaut. Gleichzeitig habe die Landesfacheinheit Presse- und Medienarbeit (PUMA) des Landesfeuerwehrverbandes die Sozial Media Arbeit aufgebaut und wurde in das Pressezentrum integriert. „In dem Pressezentrum saßen neben anderen also Leute von Berufs- oder Freiwilligen Feuerwehren, vom THW und den Rettungsdiensten, die Pressestelle der ADD und ich als Polizist. Wir waren also ein sehr bunt zusammengewürfelter Haufen. Mich hat es daher sehr erstaunt, wie gut so unterschiedliche Menschen, die sich größtenteils noch nie gesehen haben, zusammenarbeiten können und das gleiche Ziel verfolgen“, berichtet er.

„Ich selbst konnte meine Erfahrung aus polizeilichen Einsätzen mit einbringen. Wir haben uns beispielsweise an den Strukturen der Polizei orientiert, was die Pressearbeit angeht. Da die Aufgaben dort sehr vielfältig waren, haben wir diese, wie auch bei der Polizei aufgeteilt. Von der Social Media Betreuung über Presseanfragen bis hin zur Vorbereitung der täglichen Pressekonferenzen war alles mit dabei. Ich habe während der Arbeit im Krisenstab aber auch selbst unglaublich viel gelernt, weil ich das Glück hatte, in den unterschiedlichen Bereichen im Pressezentrum mitwirken zu können. Ich war also nicht nur für eine bestimmte Tätigkeit zuständig. Dadurch habe ich vieles mitbekommen und konnte natürlich auch von der Erfahrung der anderen profitieren“

Im Pressezentrum des Krisenstabes habe es unglaublich viel zu tun gegeben. Jeden Tag seien mehrere hundert Anfragen reingekommen, die alle bearbeitet werden mussten. „Unser Anspruch war es, jede Anfrage zu beantworten. Das hat natürlich enorm viel Zeit gekostet. Manche Anfragen konnte man leicht und schnell beantworten. Aber es waren natürlich auch Anfragen dabei, für die viel Recherche notwendig war. Teilweise habe ich 50 Minuten lang mit Journalisten telefoniert. Da kann man sich vorstellen wie lange es dauert, bis hunderte Anfragen beantwortet sind. Ich selbst habe immer morgens um 6 Uhr angefangen und bis 21 oder 22 Uhr Pressearbeit gemacht. Dabei ist es natürlich wichtig, auch nach 15 oder 16 Stunden noch voll konzentriert zu sein“, erklärt er.

Zusammenarbeit zwischen den Helfern

Vor Ort treffen sehr viele unterschiedliche Helfer aufeinander. Darunter Berufsfeuerwehren, Bundeswehrsoldaten und Polizisten, die beruflich dort sind. Aber auch Ehrenamtliche, wie das THW oder die freiwilligen Feuerwehren. Hinzu kommen zahlreiche Privatpersonen, Unternehmen und Landwirte, die aus freien Stücken im Krisengebiet mithelfen. Was die Zusammenarbeit der einzelnen Parteien angeht, erklärt Roberto: „Im Großen und Ganzen hat dort jeder seine Aufgabe. Die Polizei ist für die Gefahrenabwehr da und hat mit privaten Helfern eigentlich wenig Kontaktpunkte, zumindest was unsere Hauptaufgabe angeht. Bei Rettungsdiensten, Soldaten, THWlern und Feuerwehren ist es im Prinzip nicht anders.“ Jeder habe seinen eigenen Aufgabenbereich um den man sich nach bestem Gewissen kümmere.

„Was es natürlich zu Hauf gibt, sind die unzähligen kleinen Geschichten einzelner Personen. Ich rede da von Polizisten, Rettungsdienstlern und Feuerwehrleuten und vielen Menschen mehr, die während Leerlaufzeiten schnell und unbürokratisch mit angepackt haben und vielen betroffenen Menschen beispielsweise bei den Aufräumarbeiten geholfen haben anstatt die Zeit ungenutzt zu lassen“, sagt er.

Die Kritik wird den massiven Erfolg überschatten

Immer wieder gibt es von unterschiedlichen Seiten neue Kritikpunkte an der Vorgehensweise der Politik, des Krisenstabes oder auch der Helfer. Dinge hätten anders laufen müssen. Besser. Schneller. Unbürokratischer. Sagen die Kritiker. Diese Kritik mag zum Teil berechtigt sein. Doch Rinaldo Roberto befürchtet: Diese Kritik wird den enormen Erfolg und die geleistete Arbeit überschatten.

„Niemand hat mit einer Katastrophe in einem solchen Ausmaß gerechnet. Natürlich kann man sich im Nachgang, nach ein paar Tagen, Wochen und Monaten darüber unterhalten, was alles hätte besser laufen können. Und bestimmt gibt es auch Dinge, die hätten besser gemacht werden können.“ Aber im Großen und Ganzen sei es sehr gut gelaufen. In den Tagen nach der verheerenden Flut sind keine Menschen mehr zu weiteren Schäden oder ums Leben gekommen, das sei das Allerwichtigste in seinen Augen und ein großer Erfolg. Ebenso die Zusammenarbeit der vielen Gruppen, die enorme Hilfsbereitschaft von Freiwilligen und der Zusammenhalt der Betroffenen seien unglaublich stark gewesen und seien es noch immer. Die Arbeit im Krisenstab habe sehr gut funktioniert auch in Anbetracht der enormen Einsatzgröße, die vorab überhaupt nicht zu erwarten war. „Ich hoffe, dass man im Nachgang nicht nur die Kritik in Erinnerung behalten wird, wobei ich fast schon davon ausgehe, aber es wurde so viel geholfen, gemacht und getan. Dass man nicht jedem sofort beim Auspumpen des Kellers helfen kann, ist klar, aber ich denke, das Wichtigste wurde gut gemacht“

Der erste Eindruck an der Einsatzstelle

Nachdem Rinaldo Roberto mittwochs im Krisenstab ankam, schaffte er es erst freitags (23. August 2021) in die betroffenen Ortschaften Bad Neuenahr, Ahrweiler und Walporzheim zu fahren. „Das Zentrum des Krisenstabs liegt etwas außerhalb von Bad Neuenahr. Weil in den ersten beiden Tagen so viel zu tun war, habe ich es leider erst am dritten Tag geschafft, direkt in die betroffenen Gebiete zu fahren. Als erstes waren wir in Bad Neuenahr selbst“, erklärt er.

„Ich bin dann mit einer Kollegin aus dem Krisenstab zusammen in Richtung Ahr gefahren. Dafür mussten wir einige Zeit bergab fahren, also haben wir als erstes die Bereiche gesehen, wo das Regenwasser durchgeflossen ist. Die wirkliche Zerstörung wartete ja erst unten auf uns. Aber schon während der Fahrt wurde die Luft immer staubiger und der Dreck auf den Straßen hat sich immer mehr verdichtet, sodass wir unsere Masken wegen der Staubbelastung in der Luft anbehielten. Je weiter wir fuhren umso mehr habe ich gemerkt, dass mir das Atmen schwerer fällt und der Puls sich beschleunigt. Es war einfach ein mulmiges Gefühl, das sich in mir breitgemacht hat obwohl ich natürlich durch die Arbeit im Krisenstab schon einiges wusste und gehört hatte“, erklärte er.

Vor Ort angekommen seien die ersten Eindrücke riesige Schutthaufen, Dixitoiletten und Frischwassertanks, die überall standen. Was er vorher zwar wusste, nämlich dass die Menschen keine Strom- und Frischwasserzufuhr hatten und nichts funktionierte, habe er dort dann auch gesehen. Erst vor Ort werde einem wirklich bewusst, was die Menschen mitgemacht haben, berichtet der Polizist. „Zu sehen, dass die Menschen zum Teil alles verloren haben traf selbst mich hart, obwohl ich als Polizist schon einiges gesehen habe. Die Leere in den Augen der Menschen, die pure Zerstörung, die das Wasser angerichtet hat und das Wissen, dass es tausenden Menschen so geht sind erschütternd. Egal in welcher Ortschaft wir waren, es war überall das gleiche Bild.“

Bilder vermitteln nicht das Gefühl

„Natürlich habe ich bevor ich dort ankam schon Bilder und Videos gesehen. Doch nichts davon kam an das heran, wie es vor Ort wirklich aussah. Ich selbst fotografiere sehr gerne und ich denke, dass es mir auch häufig gelingt, Momente einzufangen und Emotionen zu transportieren. Ich habe vor Ort natürlich auch Bilder gemacht und eben das versucht, doch es ist mir bei keinem Bild wirklich gelungen die Wirklichkeit darzustellen.“

Wer nicht selbst vor Ort gewesen sei der wisse nicht, wie es wirklich im Ahrtal ist. Die staubige Luft und die Atmosphäre, der Geruch, der Blick der Betroffenen und Helfer, das alles werde durch Bilder und Videos niemals transportiert werden können. „Das ist natürlich keine Aufforderung, um hin zu fahren und davon rate ich auch ab. Die Bilder und Eindrücke wird man nie wieder los„, betont er.

Alle geben ihr Bestes

Natürlich hat er vor Ort nicht nur einen Eindruck von der Situation vor Ort bekommen, sondern auch von den Menschen. Er sprach mit den Betroffenen und mit den Helfern. Besonders bei den von der Flut betroffenen Bürgern hatte Roberto den Eindruck, dass diese einfach nur funktionierten, arbeiteten und noch nicht groß über die Geschehnisse nachdachten. „Es gab sicherlich auch Menschen, die einfach nur in einer Schockstarre waren oder sind, was ich aber erlebt habe, waren Menschen, die hart arbeiteten und weit über ihre persönlichen Grenzen gingen, um das Chaos zu beseitigen und möglichst schnell wieder eine Lebensgrundlage zu erhalten. Viele davon werden vermutlich erst später an einen Punkt kommen, an dem sie das schreckliche Erlebte verarbeiten können.“

„Als ich vom Krisenstab direkt nach Bad Neuenahr fuhr, trug ich meine Polizeiuniform. Das hätte ich nicht gemusst aber ich wollte erkennbar sein. Viele Menschen kamen auf mich oder auch meine Kollegen zu. Sie stellten oft ganz banale Fragen, um ins Gespräch zu kommen. Das hat man schnell gemerkt. Man hat den Menschen auch angemerkt, dass sie einfach erzählen wollten, was ihnen persönlich passiert war. In den meisten Fällen hat es schon ausgereicht, ihnen 10 oder 15 Minuten zuzuhören, dass sie sich am Ende vielleicht ein wenig besser fühlen. Das ist enorm wichtig, es hilft ihnen aber auch uns Einsatzkräften. Und mir ist es besonders wichtig, dass die Menschen wissen, dass sie jederzeit jede Einsatzkraft vor Ort ansprechen können. Wenn wir können, hören wir zu und helfen.“, betont er.

Auch die Einsatzkräfte leisten vor Ort unglaubliche Arbeit und gehen über ihre Grenzen. „Jeder gibt sein Bestes, doch natürlich ist die Situation auch für die Einsatzkräfte belastend. Polizisten, die aus ganz Deutschland ankamen und in einer fremden Umgebung Höchstleistung abliefern mussten. Teilweise standen Beamte 8 bis 12 Stunden in der Hitze und dem Staub und haben den Verkehr geregelt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man so etwas in der ersten Stunde noch relativ entspannt macht. Wenn man dann aber weiß, dass man genau das noch 11 weitere Stunden machen wird, dann muss man an einem Punkt kommen, an dem man mental runterfährt. Der Blick der Polizisten ist nach einer solchen Schicht meist einfach nur leer. Das ist nur ein Beispiel von Vielen.“, berichtet der Polizist

Hilfe für Helfer und Betroffene

Bei einer solchen Katastrophe bleiben neben den körperlichen Schäden auch psychische nicht aus. Sowohl die Betroffenen, als auch die Helfer sehen und erleben vor Ort grauenhafte Dinge, die nur sehr schwer zu verarbeiten sind. Aus diesem Grund sind rund 150 Seelsorger vor Ort, die für Gespräche und Hilfe zur Verfügung stehen. „Die meisten, die vor Ort sind, haben so etwas noch nie gesehen und benötigen früher oder später Hilfe bei der Verarbeitung. Dafür sind die Seelsorger da. Sie sind ansprechbar, sprechen die Menschen aber auch aktiv an. Auf mich kam auch ein Seelsorger zu und fragte mich, ob es mir gut gehe. Er bot mir an, ihn kontaktieren zu können, sollte ich Gesprächsbedarf haben. Im gesamten Krisengebiet wurden Infopoints verteilt, wo die Menschen mit den unterschiedlichsten Anliegen hingehen konnten. Dort waren auch immer einige der Seelsorger zu finden. Diese Infopoints wurden durch uns mit den zur Verfügung stehenden Medien und Lautsprecherdurchsagen beworben“, berichtet Rinaldo Roberto.

Besonders eng begleitet werden die Einsatzkräfte, die für die Identifizierung der Leichen zuständig sind. „Man muss sich vorstellen, dass sich in den Tagen nach der Flut tausende Menschen meldeten, die Personen vermissten. Gleichzeitig wurden sehr viele Leichen gefunden, die natürlich meist vollständig mit Schlamm bedeckt waren. Das bedeutet, dass die Leichen zunächst natürlich gesäubert werden müssen um diese dann hoffentlich den Vermisstenmeldungen zuordnen zu können. Der Fundort der Leiche gibt beispielsweise Aufschluss über den wahrscheinlichen Wohnort, da die Leiche nur bergab gespült worden sein kann. Dann schaut man natürlich, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, nach dem Alter aber auch nach körperlichen Merkmalen wie dem Zustand der Zähne, Piercings, Tattoos oder Narben. Anhand dieser und noch vieler weiterer Punkte muss man dann die Leiche einer oder mehrerer Vermisstenmeldungen zuzuordnen. Das ist eine wahnsinnig belastende Aufgabe, die mit einem enormen Druck verbunden ist, auch weil wir den Angehörigen möglichst Gewissheit geben wollen.“, erklärt er.

„Ich hätte in der Nacht nichts tun können“

Rinaldo Roberto ist seit 34 Jahren Polizist und hat in seiner Laufbahn schon viele Dinge gesehen und erlebt, die nicht einfach zu verarbeiten waren. Doch auch er erklärt, dass die Erfahrung im Ahrtal für ihn eine ganz Neue war. Er berichtet, was ihm persönlich hilft, tragische Erfahrungen zu verarbeiten:

„Ich selbst rufe mir immer wieder ins Gedächtnis, ob ich persönlich etwas hätte tun können, um die Menschen zu retten. Das war im Ahrtal nicht der Fall. Was ich allerdings tun konnte war einen Teil dazu beizutragen, im Anschluss den Menschen zu helfen . Nach tragischen Erfahrungen denke ich immer nochmal darüber nach, ob ich alles richtiggemacht habe oder ob es etwas gab, das ich hätte anders tun können. Natürlich helfen auch Gespräche und der Austausch mit anderen Kollegen.“

„Letztendlich bin ich zur Polizei gegangen wegen meines Gerechtigkeitssinns, um zu Helfen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Wenn mich jemand fragt, ob ich im Ahrtal nochmal helfen würde, dann würde ich sofort wieder zusagen. Vorausgesetzt natürlich, dass es hier mit meinem Job in Mainz vereinbar wäre. Aber ich finde es einfach sehr wichtig, den Menschen zu helfen.“, sagt er.

Zwei Wünsche für die Zukunft

„Die Schäden sind immens und den Menschen fehlt dort Vieles. Sie hatten ja nur noch was sie auf der Haut trugen. Ich wünsche all diesen Menschen, dass sie in den nächsten Wochen und Monaten wieder eine Bleibe finden, wo sie sich geborgen und sicher fühlen können, wo sie eine Grundlage finden, um wieder einen Lebensmittelpunkt zu erlangen und ein halbwegs alltagsorientiertes Leben führen können. Damit sie da schon mal weniger Sorgen mehr haben, um dann das Alles in Ruhe verarbeiten zu können.“ erklärt er.

Doch er hat noch einen zweiten Wunsch für die Bürger. „Mein zweiter Wunsch ist es, dass die Hilfe nicht abreißt. Nur das Geld ist eine Hilfe aber diese ganze private Hilfe, die die Menschen aus reiner Selbstlosigkeit geleistet haben, darf nicht abreißen. Damit die Menschen in den nächsten Monaten und Jahren merken, dass sie nicht vergessen werden. Dafür machen der Krisenstab und unzählige private Helfer viel und ich wünsche mir, dass die Menschen ganz ganz lange Hoffnung behalten“, sagt Rinaldo Roberto abschließend.

Ein Mann, der Frau und Kind verlor

So wie vermutlich alle Einsatzkräfte, die im Krisengebiet helfen, hat auch Rinaldo Roberto Eindrücke gesammelt, die ihm im Gedächtnis geblieben sind. Vor Ort hat er mit zahlreichen Betroffenen, Einsatzkräften und Helfern gesprochen. Jeder von ihnen hatte seine eigene Geschichte. Roberto erzählt von zwei, die ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind:

„Ich habe mich im Krisengebiet mit einer Kollegin von der Feuerwehr unterhalten, die am Morgen nach der Flut am Notruf saß. Ihr Mann, ebenfalls Feuerwehrmann, hatte in der Katastrophennacht einen Notruf entgegengenommen von einer Frau, die sich während der Flut mit ihrem Kind auf einen Baum gerettet hatte. Sie konnte leider ihren Standort nicht genau benennen, weshalb man sie in der Nacht nicht fand.

Am Morgen nach der Flut nahm die Kollegin mit der ich gesprochen hatte dann einen weiteren Notruf entgegen. Die Anruferin, eine andere Frau, sagte ihr, dass ein Mann mit einem Kind vor ihrem Haus auf einem Baum sitze. Sie selbst könne nicht helfen, da das Wasser zu hoch sei und sie nicht zu ihnen käme. Die Baumkrone sei sehr dicht, sodass man die beiden von oben nicht direkt sehen könne. Den Mann und das Kind konnte man glücklicherweise schließlich trotzdem ausfindig machen und retten.

Im Anschluss stellte sich heraus, dass der Mann und die Frau auf den beiden Bäumen zusammengehört hatten und sich die beiden jeweils mit einem Kind in Sicherheit bringen wollten. Die Frau wurde jedoch gemeinsam mit ihrem Kind von den enormen Wassermassen mitgerissen. Der Mann hat in dieser Nacht also seine Frau und ein Kind verloren. Ich habe selbst früher Notrufe entgegengenommen, und weiß wie dramatisch so etwas sein kann, wenn man im Nachgang solche Dinge mitbekommt und wie sich eine Hilflosigkeit auch bei den Rettern breit machen kann.“, berichtet Rinaldo Roberto.

Mit kleinen Dingen helfen

Er berichtet auch von einer Frau, die ihm stark im Gedächtnis blieb: „Als wir in Bad Neuenahr waren, kam eine Frau auf uns zugelaufen. Sie hatte wohl die Rolle des Familienoberhauptes übernommen und drückte uns einen Zettel in die Hand. Darauf standen einige Medikamente. Sie erklärte uns, dass sie diese dringend für ihr Kind und ihren Mann benötige, da ihre Vorräte, die nach der Flut übrigblieben, aufgebraucht waren. Um der Frau zu helfen haben wir per Funk den Bedarf mitgeteilt. Noch am gleichen Abend hatte die Frau alle benötigten Medikamente erhalten.

Die Menschen haben in der Flut so viel verloren. Es ist wichtig zu wissen, dass man den Menschen oft auch schon mit Kleinigkeiten oder einfachem zuhören helfen kann und mit einem Lächeln belohnt wird. Manchmal sind es auch die kleinen Dinge, die einem im Gedächtnis bleiben.“

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